#1

News aus der Rechtsprechung

in Dosentalk! 31.03.2013 20:01
von der_krischan | 280 Beiträge | 341 Punkte

VG Freiburg: Kein Kostenersatz für Polizeieinsätze bei Bombenarlam

Mit Urteilen hat das Verwaltungsgericht Freiburg in zwei Fällen Gebührenbescheide der Polizeidirektion Emmendingen aufgehoben, mit denen diese die jeweiligen Kläger wegen missbräuchlicher Veranlassung eines Polizeieinsatzes bzw. Vortäuschens einer Gefahrenlage zum Ersatz von Polizeikosten in Höhe von jeweils mehreren tausend Euro (3.842 bzw. 3.690 Euro) herangezogen hatte (Urteil vom 19.02.2013, Az.: 5 K 1126/12 und Urteil vom 12.03.2013, Az.: 5 K 1419/12).

In beiden Fällen hatte die nach dem Auffinden verdächtiger Gegenstände alarmierte Polizei mit vielen Beamten einen Großeinsatz zur Entschärfung vermeintlicher Bomben durchgeführt und per Hubschrauber Bombenentschärfungs-Experten eingeflogen. Beides Mal entpuppten sich die Gegenstände als harmlos. Den für die Gegenstände jeweils verantwortlich gemachten Klägern wurden dann für den Polizeieinsatz nach dem Landesgebührengesetz jeweils 48 Euro pro angefangener Stunde jedes eingesetzten Polizeibeamten und 250 Euro je angefangener Viertelstunde des Polizeihubschraubereinsatzes in Rechnung gestellt.

Im einen Fall war bei einer routinemäßigen Inspektion weit innerhalb eines Regenwasserkanalrohrs mit einem Durchmesser von 120 cm in der Nähe eines Einkaufszentrums, einer Bundesstraße und benachbart verlaufender Gasleitungen eine silbern angestrichene Box gefunden worden, die mit Drähten und Nägeln an der Kanalseitenwand befestigt war und an der LED-Lichter blinkten. Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei nicht um einen Sprengsatz, sondern um eine Box (sogenannter Geo-Cache), die vom Kläger im Rahmen einer sogenannten Geocaching-Aktion verwendet worden war, einer Art moderner Schnitzeljagd, bei der Teilnehmer unter Verwendung von GPS-Daten und verschlüsselten Hinweisen eine Kassette an ihrem versteckten Standort aufspüren müssen.

Im anderen Fall war bei einer international tätigen Hochtechnologie-Firma ein Paket eingegangen, das an eine Mitarbeiterin persönlich adressiert war. Als sie es öffnete, fand sie ein Begleitschreiben mit dem Briefkopf einer arabischen Botschaft in Berlin sowie dem Zusatz "Bill of Lading" und dem an die Mitarbeiterin gerichteten Text "You receive important and secret documents", gezeichnet mit einem arabischen Namen und dem Zusatz "Consul". Sie unterrichtete den Sicherheitsbeauftragten der Firma, der bei Nachfrage in der Botschaft die Auskunft erhielt, ein solches Paket sei dort nicht abgeschickt worden, und daraufhin die Polizei informierte. Wie sich später herausstellte, enthielt das Paket aber nur einen Kuchenteller und eine handschriftlichen Gruß des Klägers, eines Bekannten der Mitarbeiterin, der sich mit ihr einen Scherz erlauben und ihr auf diese Weise nur den gebrauchten Teller hatte zurückgeben wollen.

Das Verwaltungsgericht hat den beiden Klagen gegen die jeweiligen Gebührenbescheide mit der Begründung stattgegeben, der Gebührentatbestand einer missbräuchlichen Veranlassung eines Polizeieinsatzes bzw. des Vortäuschens einer Gefahrenlage setze objektiv voraus, dass durch das Verhalten des Verursachers zumindest eine Anscheinsgefahr entstanden sei und erfordere subjektiv, dass der Verursacher dies entweder bezweckt habe oder wenigsten als sicher erwartet habe oder aber zumindest, dass sich ihm eine entsprechende Einschätzung als Gefahrenlage durch dritte Personen und die von ihnen unterrichtete Polizei als gewiss hätte aufdrängen müssen. Für ein "Vortäuschen" einer Gefahrenlage genüge es hingegen nicht, dass sich die Annahme einer Gefahrenlage durch Dritte und gegebenenfalls durch die Polizei nur mehr oder weniger naheliegend hätte erscheinen müssen. Diese Voraussetzungen sah das Gericht in beiden Fällen nicht als erfüllt an.

Im Fall des Geo-Cache habe zwar angesichts der örtlichen Umstände eine Anscheinsgefahr vorgelegen, es habe sich dem Kläger aber nicht als gewiss aufdrängen müssen, dass die an entlegener Stelle versteckte Box (Geo-Cache) von einer nicht der Geo-Cacher Szene zugehörigen Person aufgefunden werde, die den Gegenstand nicht als Geo-Cache erkenne, sondern gar von einem Sprengsatz ausgehe. Als gewiss aufdrängen hätte sich ihm auch nicht müssen, dass die Kanalisation in bestimmten zeitlichen Abständen inspiziert werde und die nächste Inspektion ausgerechnet während der Laufzeit des Cache-Rätsels erfolge.

Auch im Fall des Scherzpakets habe es sich dem Absender nicht als gewiss aufdrängen müssen, dass das Paket eine Anscheinsgefahr begründen könne. Eine allgemeine Bedrohungslage habe es für die Firma nicht gegeben. Dass sie international im Bereich Hochtechnologie tätig sei, mache sie noch nicht zum herausgehobenen Ziel von Terroranschlägen. Das Paket sei nur an die Adressatin persönlich gerichtet gewesen. Dass diese die Scherzhaftigkeit des Anschreibens nicht erkennen werde, habe sich ihm nicht als gewiss aufdrängen müssen. Es sei vielmehr nachvollziehbar, dass er nicht auf den Gedanken gekommen sei, bei der Adressatin werde der Eindruck einer Gefahrenlage entstehen, da die Täuschung über den Absender auf den zweiten Blick wegen der wenig repräsentativen Aufmachung und der unüblichen Formulierungen leicht erkennbar gewesen sei.

VG Freiburg, Urt. v. 19.02.2013 - 5 K 1126/12 und Urt. v. 12.03.2013 - 5 K 1419/12

Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht hat in beiden Fällen die Berufung an den VGH Mannheim zu-gelassen. Die Berufung kann binnen eines Monats nach Urteilszustellung eingelegt werden.

Quelle: Pressemitteilung des VG Freiburg vom 27.03.2013
aus http://www.reno-heute.de/news/rechtsprechung/ und http://www.juris.de

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#2

RE: News aus der Rechtsprechung

in Dosentalk! 02.04.2013 10:57
von Hummel & Brummel | 396 Beiträge | 964 Punkte

Hmm, ist das jetzt gut oder schlecht?

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#3

RE: News aus der Rechtsprechung

in Dosentalk! 04.04.2013 00:09
von Ostthueringer | 63 Beiträge | 71 Punkte

Hallo!

@Hummel & Brummel, das wird sich erst entscheiden, denn wenn man Berufung einlegt, hat die letzte Entscheidung das jeweilig höhere Gericht die Entscheidung und kann das Urteil des darunter liegenden Gerichts aufheben! Da es sich um Zivil- und Strafrecht handelt, ist noch vieles offen! Die Reihenfolge der Gerichte ist wie folgt; Bezirksgericht, Landgericht, Oberlandesgericht und zum Schluss der oberste Gerichtshof.

Desweiteren ist das Urteil für uns Geocacher sehr interessant, die Richter suchen zu 99% nach bereits gesprochenen Urteilen, die eine bestimmte ähnlichekeit aufweisen, sodass es eine bundesweite "klare" Linie gibt!

ich hoffe, ich konnte Euch ein wenig helfen.

Grüße,
Ostthueringer

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#4

RE: News aus der Rechtsprechung

in Dosentalk! 23.05.2013 10:20
von der_krischan | 280 Beiträge | 341 Punkte

Abgeschrieben von http://www.itespresso.de

Geocache-Diebe müssen Schadenersatz leisten

Wer einen Geocache vom Fundort entfernt, kann schadenersatzpflichtig sein. Das hat das Landgericht Heidelberg in einem Urteil festgestellt. In einem – zugegebenermaßen etwas speziell gelagerten Fall – muss ein Jäger für einen von ihm aufgesammelten Geocache über 1000 Euro bezahlen.


Das Landgericht Heidelberg hat einen Jäger, der einen Geocache an einen anderen Platz gebracht hat, zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von über 1000 Euro verurteilt (Aktenzeichen 5 S 61/12). Darauf hat Anwalt Christian Solmecke von der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke jetzt hingewiesen.

Geocaching ist in zunehmend beliebtes Hobby. Dabei verstecken Teilnehmer sogenannte Caches, meist kleine Plastikdosen, und stellen deren GPS-Koordinaten auf der Plattform ein. Andere Teilnehmer sollen sie finden, was manchmal durch Rätsel erschwert wird, und können sich nach erfolgreicher Suche in einem Logbuch eintragen.

Meist werden zufällige Finder durch eine Aufschrift auf der Dose gebeten, diese nicht von ihrem Platz zu entfernen, um nicht zum Spielverderber zu werden. Jetzt hat diese Bitte nachdrückliche Unterstützung durch ein Urteil des Landgerichts Heidelberg bekommen.

Ein Jäger hatte – anscheinend abseits des normalen Verstecks frei im Wald liegend – einen Geocache gefunden. Diesen hatte er aufgehoben und am Rand eines Waldweges abgelegt, um dem Besitzer das Wiederfinden des seiner Auffassung nach verloren gegangenen Gegenstandes zu erleichtern.

Als der Cache einige Tage später noch immer an der gleichen Stelle lag, nun aber aufgebrochen und der enthaltenen Gegenstände beraubt, brachte der Jäger die Truhe zum Fundbüro. Böse Absichten können ihm also kaum unterstellt werden. Dennoch klagte der Besitzer des Caches auf Schadenersatz.

Vor dem Amtsgericht Heidelberg konnte er sich damit zunächst nicht durchsetzen. Das Landgericht Heidelberg urteilte in dem Berufungsverfahren nun jedoch zu seinen Gunsten und verurteilte den Jäger dazu, Schadenersatz in Höhe von über tausend Euro zu bezahlen. Grund für diese Höhe ist, dass es sich bei dem Cahce nicht um eine beliebige Plastikdose, sondern ausnahmsweise um ein in langwieriger Arbeit handgefertigtes Unikat aus teuren Materialien handelte.

“Die Schatzkiste war nicht mehr an ihrem ursprünglichen Standort, als sie gefunden wurde. Sie war damit besitzlos. Als der Jäger die Kiste aufgehoben hat und vom Standort entfernte, wurde die Sache von ihm in Besitz genommen”, erklärt Rechtsanwalt Christian Solmecke das Urteil. Aus der Sache sei somit im gesetzlichen Sinn ein Fund geworden. Dadurch entstehe ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Parteien: Der Jäger habe seine Pflichten als Finder verletzt.

Aus juristischer Sicht hätte er die Fundsache aufbewahren müssen. Solmecke weiter: “Er darf sie nicht wieder aufgeben, etwa durch das Ablegen am Fundort oder an einer anderen Stelle. Es wäre ihm zuzumuten gewesen, die Schatzkiste gleich mit dem Auto zum Fundbüro zu fahren. Seine Pflichtverletzung muss der Beklagte auch vertreten – auch wenn er grundsätzlich nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet, was hier aber gegeben ist.”

Das Urteil hat nicht nur Folgen für die Geocaching-Szene, sondern gilt im Alltag ganz allgemein: Wer eine Sache findet und sie an sich nimmt, hat als Finder Pflichten zu erfüllen und muss sich aktiv um eine sichere Verwahrung bemühen. Wer den Fund wieder aufgibt, kann auf Schadensersatz verklagt werden. “Im Grunde genommen reicht es schon aus, einen Fund aufzuheben und wieder fallenzulassen, um die Voraussetzung auf einen Schadensersatzanspruch zu erfüllen”, so Solmecke.



und hier das Urteil, abgeschrieben von http://lrbw.juris.de

LG Heidelberg Urteil vom 4.3.2013, 5 S 61/12

Haftung für zerstörten Geocache

Leitsätze

Wer einen außerhalb des ursprünglich vorgesehenen Verstecks befindlichen, deshalb besitzlosen Geocache an sich nimmt und weg bringt, hat als Finder die Pflicht zur Verwahrung. Diese Pflicht wird verletzt, wenn statt dessen der Geocache an einem beliebigen, vom Finder als geeignet angesehenen Ort wieder abgelegt und seinem Schicksal überlassen wird.



Im Fall der - vom Finder zu widerlegenden - vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung haftet sodann der Finder für Schäden infolge einer anschließenden Beschädigung oder Zerstörung des Geocache durch Unbekannte. Auch im Fall einer Unkenntnis des Finders von seiner Verwahrungspflicht liegt insoweit grobe Fahrläs-sigkeit nahe. Denn im Regelfall muss sich dem Finder aufdrängen, dass er eine nicht ganz wertlose fremde Sache, die er an sich genommen hat, nicht nach Gutdünken an einem ihm hierfür zweckmäßig erscheinenden Ort wieder ablegen darf.

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 21.09.2012 - 30 C 51/11 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin das Logbuch zu dem Geocache ... „B... und E...“ herauszugeben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.114,84 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.02.2011 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 27 % und der Beklagte 73 %, von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 26 % und der Beklagte 74 %.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um außervertraglichen Schadensersatz.

Die Klägerin hatte im April 2010 einen sog. Geocache im Stadtwald der Gemeinde E. im Odenwald versteckt. Dabei handelte es sich um eine symbolische Schatztruhe aus Holz, die der Ehemann der Klägerin in Eigenleistung entworfen und gebaut hatte. Sie war mit elektronischen Einrichtungen versehen und sollte als Zielpunkt des Geocaching-Spiels, einer technisierten Form der Schnitzeljagd, dienen, die über das Internet organisiert wird und einem unbestimmt großen Kreis von Teilnehmern offensteht.

Der Beklagte, der sich durch Teilnehmer an dieser Schnitzeljagd verschiedentlich in seiner Jagdausübung und in seiner Ruhe gestört gefühlt hatte, fand die Schatztruhe gemeinsam mit einem Jagdgenossen Ende Mai oder Anfang Juni 2010 im Wald, trug sie davon und gab sie etwa eine Woche später in zerstörtem Zustand im Fundbüro der Stadt B. ab.

Die Klägerin hat vorgetragen,

wenn es nicht der Beklagte selbst gewesen sei, der die Kiste absichtlich zerstört habe, habe er jedenfalls die Zerstörung der Kiste zurechenbar verursacht, wenn er sie, wie er behaupte, an einem belebten Weg abgestellt und dadurch die Möglichkeit des schädigenden Zugriffs Dritter erheblich erhöht habe.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Herausgabe zweier Bestandteile der Schatztruhe, welche sie weiterhin in seinem Besitz wähnte (sog. Logbuch und Geocoin), sowie zur Zahlung von Schadensersatz für die zerstörte Schatztruhe in Höhe von EUR 1.500,- nebst Verzugszinsen zu verurteilen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er hat vorgetragen,

er habe die Kiste außerhalb des von der Klägerin beschriebenen Verstecks verschlossen, abseits von Wegen, aber frei sichtbar im Wald stehend gefunden. Da sie ihm verloren erschienen sei, habe er sie gemeinsam mit seinem Jagdgenossen am Rande eines Hauptwegs abgestellt, um dem Eigentümer die Wiedererlangung zu erleichtern. Ein weiterer Transport der Kiste sei ihm weder möglich noch zumutbar gewesen. Als die Kiste zwei Tage später immer noch - allerdings aufgebrochen - am Abstellort gestanden habe, habe er sie auf seinen Geländewagen aufgeladen und beim Fundbüro abgeliefert.

Das Amtsgericht hat nach Erhebung von Zeugenbeweis der Klage hinsichtlich eines Teils des Herausgabeantrages stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Es hat auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme als erwiesen angesehen, dass der Beklagte die Kiste zufällig abseits des eigentlichen Versteckes auf einem Felsen im Wald stehend gefunden und anschließend am Hauptweg abgestellt habe, nicht hingegen, dass er sie absichtlich aus ihrem Versteck geholt und zerstört habe. Einen Schadensersatzanspruch der Klägerin hat das Amtsgericht mit der Begründung verneint, dass das Abstellen der Kiste am Rand des Hauptwegs, ohne die Klägerin zu informieren, jedenfalls nicht grob fahrlässig gewesen sei, so dass der Beklagte als Finder nicht hafte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vortrags der Parteien in erster Instanz sowie wegen des Inhalts und der Begründung des Urteils des Amtsgerichts Heidelberg vom 21.09.2012 einschließlich der dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf Entscheidungsformel, Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils Bezug genommen (I 361 ff.).

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin (allein) ihr erstinstanzliches Schadensersatzbegehren weiter.

Sie meint, das Amtsgericht habe zu Unrecht eine Haftungsprivilegierung des Beklagten angenommen. Als unredlicher Finder hafte er bereits für zufälligen Untergang der Kiste.

Im Übrigen habe das Amtsgericht aber auch verkannt, dass das Verhalten des Beklagten mindestens grob fahrlässig gewesen sei. Ihm habe sich aufdrängen müssen, dass die Kiste Teil des Geocaching-Spiels und von nicht unerheblichem Wert sei, und dass ihr Abstellen am Hauptweg einer Einladung an Diebe oder Vandalen gleichkomme. Wenn der Beklagte schon die Kiste von ihrem Auffindeort weg und zum Hauptweg gebracht habe, habe er sie auch umgehend per Auto abholen und verwahren müssen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 21.09.2012 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Heidelberg - 30 C 51/11 - den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.500,- nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt:

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Ihm sei weder bewusst noch erkennbar gewesen, dass die von ihm gefundene Kiste ein Geocache sei, der der Klägerin gehöre. Das Abstellen am Hauptweg sei im Interesse des Verlierers der Kiste sinnvoll gewesen, weil ein Verlierer einen verlorenen Gegenstand immer als erstes auf dem gut begehbaren Weg suche. Jedenfalls sei es nicht vorwerfbar, dass der Beklagte die Kiste nicht noch weiter mitgeschleppt habe. Die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen seien im Übrigen völlig übersetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verfahrensakte Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil beruht insoweit auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO), als das Amtsgericht die Haftung des Beklagten als Finder mangels Vertretenmüssens verneint hat. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ist dem Grunde nach gegeben. Der Höhe nach konnte dem Klägerantrag jedoch nur unter Einschränkungen entsprochen werden.

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung seiner Pflichten als Finder nach §§ 966 Abs. 1, 968, 280 Abs. 1 BGB. Der Fund einer Sache i.S.d. § 965 Abs. 1 BGB begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis, dessen Pflichten in §§ 965 ff. BGB und ergänzend in §§ 677 ff. BGB konkretisiert werden (Palandt/Bassenge, 72. Aufl. 2013, Vorb v § 965 Rz. 2). Die Verletzung von Pflichten aus diesem Schuldverhältnis kann Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB begründen (vgl. Palandt/Bassenge, § 966 Rz. 2). Ein solcher Anspruch besteht vorliegend.

a) Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass der Beklagte Finder einer verlorenen Sache i.S.d. § 965 Abs. 1 BGB war.

Die Klägerin hat ihre erstinstanzliche Behauptung, der Beklagte habe die Schatzkiste aus dem von der Klägerin vorgesehenen Versteck gezogen und mutwillig zerstört, in der Berufungsinstanz nicht weiter aufrecht erhalten und die Beweiswürdigung des Amtsgerichts, das von der Darstellung des Beklagten ausgegangen ist, er habe die Schatzkiste außerhalb ihres Verstecks, offen zwischen Felsen stehend gefunden, nicht angegriffen. Diese Beweiswürdigung begegnet auch von Rechts wegen keinen Bedenken.

Nachdem sich die Kiste also nicht mehr in dem ihr von der Klägerin zugedachten Versteck befand, war sie besitzlos (nicht hingegen herrenlos). Auf die entsprechenden Ausführungen des Amtsgerichts kann insoweit verwiesen werden (Urt. S. 5 unter 2., dort dritter Absatz - I 369).

Indem der Beklagte die Kiste mit Hilfe seines Jagdgenossen, des Zeugen R., aufhob und von ihrem Standort weg brachte , hat er die bis dahin besitzlose Sache in seinen Besitz genommen. Damit lag ein Fund i.S.d. § 965 Abs. 1 BGB vor (vgl. zum Ganzen Palandt/Bassenge, Vorb v § 965, Rz. 1 unter a. u. b.) und es entstand ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen den Parteien.

b) Der Beklagte hat seinen Pflichtenkreis als Finder jedenfalls in Ansehung der ihn nach § 966 Abs. 1 BGB treffenden Verwahrungspflicht verletzt.

Verwahrung bedeutet Aufbewahrung. Der Finder darf nach Inbesitznahme der gefundenen Sache den Besitz nicht wieder aufgeben, etwa durch (Wieder-) Ablegen am Fundort oder sonstwo, es sei denn, die Sache ist völlig wertlos (vgl. MünchKomm/Oechsler, 5. Aufl. 2009, § 966 Rz. 2; BeckOK-BGB/Kindl, Stand 01.02.2013, § 966 Rz. 1; Staudinger/Gursky, Neubearb. 2011, § 966 Rz. 1).

Gegen diese Pflicht hat der Beklagte verstoßen, indem er die Kiste an dem Hauptweg des Waldes abgelegt hat.

c) Die Einhaltung dieser Pflicht war dem Beklagten weder unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB) noch unzumutbar (§ 275 Abs. 3 BGB). Nachdem der Beklagte und sein Jagdgenosse im Anschluss an ihren Fußmarsch ohnehin das Auto benutzt haben (vgl. persönliche Anhörung des Beklagten im Termin am 22.05.2012, Prot. S. 3 vierter Absatz - AS 147), war es dem Beklagten möglich und zumutbar, zur Aufnahme der Kiste mit dem Pkw den - unstreitig befahrbaren - Hauptweg des Waldes zurück zu fahren.

d) Der Beklagte hat seine Pflichtverletzung auch zu vertreten. Dies wird im Rahmen der Anspruchsgrundlage des § 280 Abs. 1 vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), wobei ein Finder grundsätzlich nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat (§ 968 BGB).

Dem Beklagten fällt hinsichtlich der Verletzung seiner Verwahrungspflicht Vorsatz zur Last. Denn er wusste und wollte, dass die Kiste am Hauptweg des Waldes stehen blieb und er sich damit ihrer Sachherrschaft begab. Damit handelte der Beklagte vorsätzlich hinsichtlich der tatsächlichen Umstände seiner Pflichtverletzung.

Allerdings gehört zum Vorsatz im Zivilrecht nach herrschender Rechtsauffassung nicht nur die Kenntnis der Tatbestandsmerkmale der verletzten Norm, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit (statt aller: BGH, NJW 2002, 3255, 3256 unter III. 2.). In den Fällen, in denen schon grobe Fahrlässigkeit schadet (und nicht erst Vorsatz), genügt aber wiederum an Stelle der Kenntnis auch die grob fahrlässige Unkenntnis des Verbots (MünchKomm/Grundmann, 6. Aufl. 2012, § 276 Rz. 159).

Soweit der Beklagte seine Verwahrungspflicht nicht gekannt haben sollte, beruht dies jedenfalls auf grober Fahrlässigkeit. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob sich dem Beklagten der missbräuchliche Zugriff Dritter auf die Kiste bei deren Stehenlassen am Rande des Hauptweges aufdrängen musste (wiewohl dies naheliegen dürfte), sondern vielmehr darauf, ob sich dem Beklagten aufdrängen musste, dass er gesetzlich verpflichtet war, eine jedenfalls nicht ganz wertlose fremde Sache, die er an sich genommen hatte, nicht nach Gutdünken an einem ihm hierfür zweckmäßig erscheinenden Ort wieder abzulegen. Nach Auffassung der Kammer liegt dies so nahe, dass jemand, der die Augen vor dieser Pflicht verschließt, dasjenige außer Acht lässt, was in der gegebenen Situation jedermann einleuchten muss. Er handelt mithin grob fahrlässig.

Der Beklagte hat seine Pflichtverletzung folglich zu vertreten. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs liegen damit vor.

e) Ob dem Beklagten darüber hinaus auch ein vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verstoß gegen seine Anzeigepflicht (§ 965 Abs. 1 BGB) zur Last liegt, sowie, ob dem Beklagten die Haftungsprivilegierung des § 968 BGB überhaupt zugute kommt, ist, nachdem der Beklagte jedenfalls für die vorsätzliche bzw. grob fahrlässige Verletzung seiner Verwahrungspflicht haftet, für die Sachentscheidung nicht weiter erheblich und kann daher offen bleiben.

2. Der der Klägerin dem Grunde nach zustehende Zahlungsanspruch ist allerdings nur in aus dem Tenor ersichtlicher Höhe begründet.

a) In nahezu voller Höhe sind die von der Klägerin mit EUR 744,84 bezifferten Materialkosten in Ansatz zu bringen.

Die für die Herstellung der Schatzkiste aufgewandten Materialkosten hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 24.05.2011 (S. 5 ff. unter IV. - I 81 ff.) detailliert aufgeschlüsselt. Der Beklagte hat die dort genannten Kosten erst- wie zweitinstanzlich nur pauschal als völlig übersetzt bestritten, ohne darzulegen, welcher Posten aus seiner Sicht aus welchen Gründen in welcher Höhe übersetzt sei. Die nach Schluss der Berufungsverhandlung mit Schriftsatz vom 04.02.2013 teilweise erhobenen Detaileinwendungen sind dabei nicht mehr zu berücksichtigen (§ 296a Satz 1 ZPO). Dem Beklagten war dieser Schriftsatz zwar nachgelassen worden (Prot. v. 21.01.2013, S. 1 - II 49), jedoch nur zur Erwiderung auf den Klägerschriftsatz vom 18.01.2013. Dieser verhält sich jedoch nicht zur Schadenshöhe, so dass diesbezügliche Ausführungen des Beklagten nicht von dem gewährten Schriftsatznachlass umfasst waren.

Das Amtsgericht hat im Termin am 17.07.2012 den Zeugen J. (auch) zur Schadenshöhe vernommen (vgl. Prot. S. 5 ff. - I 205 ff.). Unter Berücksichtigung des Klägervortrags, der Bekundungen des Zeugen J. sowie die (soweit zu berücksichtigen) nur völlig pauschalen Einwände des Beklagten zur Höhe der Materialkosten, schätzt die Kammer die zur Wiederherstellung (§ 249 Abs. 2 BGB) erforderlichen Materialkosten auf die von der Klägerin vorgetragenen Beträge (§ 287 Abs. 1 ZPO). Für die Voraussetzungen eines Abzugs „neu für alt“ ist angesichts des Umstands, dass es sich bei dem „Endprodukt“ um eine individuelle Bastlerarbeit handelt, nichts ersichtlich.

Abzuziehen ist lediglich der für das Logbuch in Ansatz gebrachte Betrag von EUR 5,-. Da der Beklagte, jedenfalls derzeit noch, auf Grund der insoweit rechtskräftigen erstinstanzlichen Verurteilung zur Herausgabe des Logbuchs verpflichtet ist, kann insoweit derzeit kein Schadensersatz zugesprochen werden.

Nicht abzuziehen sind die von der Klägerin mit EUR 21,- veranschlagten Kosten für den „Geocoin“. Insoweit wurde die Herausgabeklage rechtskräftig abgewiesen.

An Materialkosten schuldet der Beklagte mithin

EUR 744,84 - EUR 5,- = 739,84.

b) Deutlich zu kürzen waren allerdings die von der Klägerin in Höhe des zum Betrag von EUR 1.500,- fehlenden Rests, also in Höhe von EUR 755,16, verlangten Arbeitskosten.

Den zeitlichen Arbeitsaufwand hat die Klägerin mit 100 Stunden beziffert, so dass sie von einem „Stundenlohn“ von rund EUR 7,50 ausgeht. Dieser Stundenlohn erscheint für einen Hobbybastler angemessen.

Allerdings hält die Kammer den Stundenaufwand in dieser Höhe für nicht nachvollziehbar. Maßgebend ist der zur Wieder- bzw. Neuherstellung der Kiste erforderliche Aufwand (vgl. § 249 Abs. 2 BGB). Die Kammer hält es auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei der Kiste um ein „Unikat“ handelt, für möglich, dass ein Hobbybastler eine solche Kiste einschließlich Materialeinkauf innerhalb einer Arbeitswoche herstellt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, wie der als Zeuge vernommene Ehemann der Klägerin der Sache nach auch eingeräumt hat, dass für die (bereits erfolgte) wiederholte Herstellung der Kiste nicht mehr derselbe Umfang an Planungsleistungen erforderlich war wie beim ersten Mal und auch die Herstellung „erfahrener“ und damit zügiger von der Hand gegangen sein dürfte.

Die Kammer schätzt, da die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage völlig unwirtschaftlich wäre (§ 287 Abs. 1 ZPO), die Arbeitsleistung letztlich auf

50 Stunden x EUR 7,50 = EUR 375,-.

3. Prozesszinsen sind in beantragter Höhe ab Rechtshängigkeit zu zahlen, soweit die Hauptforderung begründet ist (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz, 97 Abs. 1 ZPO. Da der Berufung nur ein Teil des Streitgegenstands angefallen ist, waren die Kosten nach Instanzen zu trennen.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713, 543, 544 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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#5

RE: News aus der Rechtsprechung

in Dosentalk! 23.05.2013 11:53
von göthies | 460 Beiträge | 1449 Punkte

Danke für diesen Beitrag, der auch gut in die Rubrik "Sachen gibt's" passen würde ....

Wer legt denn bitteschön eine 1000-Euro-Dose in den Wald???

Der arme Jäger!
Da haben wir wohl nun einen ganz großen Geocaching-Freund hinzugewonnen!!

Soll heißen: die nächste Tour im Wald bitte nur noch mit kugelsicherer Weste

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